Die Fakten

  • Jeder zweite Beschäftigte in Deutschland verrichtet oft oder sehr häufig seine Arbeit in einer erzwungenen Körperposition, beispielsweise in Form von langem Stehen.1
  • Jeder Siebte der Beschäftigten wiederum fühlt sich durch die Arbeit im Stehen belastet.2

Warum langes Stehen anstrengend ist


Genauso wenig wie für das Dauersitzen ist unser Körper für das Dauerstehen gemacht. Stundenlanges Stehen, häufig in Verbindung mit monotonen Bewegungsabläufen, ist anstrengend. Nicht nur für die Beine, sondern auch für die Muskeln sowie das Venensystem. Doch warum genau fällt es uns uns so schwer, lange im Stehen „Haltung zu bewahren”?

Muskelgruppen

Wer im Job überwiegend steht, verlangt seinem Bewegungsapparat – zu dem unter anderem Skelett, Gelenke, Muskeln und Sehnen gehören – Höchstleistungen ab. Die Muskulatur ist ständig angespannt, um zu gewährleisten, dass unser Körper gestützt wird und aufrecht bleibt. Die ständige Anspannung zahlreicher Muskelgruppen, die bei dieser Art „Zwangshaltung” stattfindet, mündet in Verspannungen, aus denen schmerzhaften Muskelverhärtungen und Rückenschmerzen folgen. Hinzu kommt: Da die Muskulatur irgendwann ermüdet, müssen andere Strukturen wie Bänder und Bandscheiben „einspringen” und die Muskeln bei ihrer Arbeit unterstützen.

Herz-Kreislauf und Venensystem

Neben dem Rücken wird auch das Herz-Kreislauf- sowie das Venensystem stark beansprucht. Doch warum ist das so? Wenn wir uns bewegen, helfen unsere Muskeln durch ständige An- und Entspannung kräftig mit, Druck auf die Venen auszuüben und so das venöse (sauerstoffarme) Blut wieder nach oben zum Herzen zu führen. Wer sich nicht bewegt und stattdessen lange Zeit im Stehen verbringt, muss auf die Leistung der körpereigenen „Muskelpumpe”3 verzichten. Die Konsequenz: Ansteigender Blutdruck in Waden und Füßen. Bis zu einem gewissen Grad kompensieren die Gefäße selbst den Blutdruckanstieg, indem sie sich verengen und so verhindern, dass das Blut fußwärts absackt. Doch irgendwann „leiern“ die Venenwände aus und sie erweitern sich. Das wiederum zieht einen beeinträchtigten Schließmechanismus der Venenklappen nach sich. Gestautes Blut in den Beinen ist die Folge. Und auch das Herz schuftet vermehrt: Es pumpt und pumpt, damit es an genügend venöses Blut gelangt, um alle Körperbereiche, insbesondere das Gehirn, wieder mit ausreichend Sauerstoff versorgen zu können.

Venenklappen: Darum sind sie wichtig

In den Venen befinden sich sogenannte Venenklappen. Dank deren Ventilwirkung stellen sie sicher, dass das Blut aus den Beinen zum Herzen zurückfließt – selbst gegen die Schwerkraft. Sind nun die Venen erweitert, schließen die Venenklappen nicht mehr richtig.

Nach längerem Stehen Rückenschmerzen? Jetzt reagieren!


Dauerhaftes Stehen liegt nicht in der Natur des Menschen. Der Wechsel von verschiedenen Körperhaltungen (Stehen, Laufen, Liegen, Sitzen) wäre optimal. In vielen Berufen ist das in der Praxis nicht durchführbar. Versuchen Sie – trotz der tagtäglichen Anforderungen, die im Job an Sie gestellt werden – während, aber auch nach der Arbeit, etwas für Ihren Rücken und somit Ihre Gesundheit zu tun.

Folgende, rückenschonende Tipps helfen Ihnen, Ihren Berufsalltag „durchzustehen”:

Sicheren „Standpunkt” finden

Hängende Schultern, Hohlkreuz, eingesunkener Brustkorb und ein sich nach vorn wölbender Bauch – vermeiden Sie ein solches Zusammensacken des Körpers. In der Theorie hört sich das sehr einfach an. Die korrekte Umsetzung einer guten Körperhaltung im Stehen, die die Wirbelsäule möglichst wenig belastet, erfordert jedoch auch ein bisschen Übung. Probieren Sie aus, beispielsweise in der nächsten Arbeitsunterbrechung oder -pause.

  • Der Kopf sollte möglichst aufrecht und gerade sein, ebenso das Kinn.
  • Statt verkrampft die Schultern und Arme nach oben zu ziehen, diese locker hängen lassen.
  • Drücken Sie die Knie nicht durch, stattdessen leicht beugen.
  • Ihre Füße sollten etwa hüftbreit nebeneinanderstehen, die Fußspitzen dabei nach außen zeigen.
  • Nehmen Sie, wann immer möglich, die sogenannte Beckenhaltung ein.

Beckenhaltung – was ist denn das?

Bewegen Sie das Becken leicht nach hinten. Somit ist gewährleistet, dass der untere Rücken eine sanfte S-Krümmung erkennen lässt. Ist das Becken hingegen zu stark nach vorne gekippt, fällt man ins Hohlkreuz, Rückenschmerzen sind die Folge.

Fußgerechte Schuhe kaufen

Eingequetschte Zehen, Blasen an den Füßen – sind die Schuhe unbequem, hilft auch das modischste Modell nichts. Statt dem neuesten Trend entsprechend, sollte das Schuhwerk vor allem eines sein: Fußfreundlich.

  • Tragen Sie Schuhe, die Ihren Füßen Halt geben und bequem sind.
  • Die empfohlene, maximale Absatzhöhe liegt bei vier Zentimetern.3
  • So vermeiden Sie, dass sich der Körperschwerpunkt verschiebt.
  • Der Absatz sollte dabei so breit sein, dass seitliches Umknicken nicht möglich ist.
  • Achten Sie auf eine gut bewegliche Sohle, um den Fuß problemlos abzurollen.
  • Von einem Orthopäden angepasste Einlagen können das Stehen erleichtern.

Stehhilfen nutzen

Unterstützung in Form von Stehhockern, Pendelstehsitzen & Co. machen Ihren Arbeitsplatz rückenfreundlicher und unterstützen beim sicheren Stand.

  • Nicht mehr die Beine und Füße müssen das gesamte Körpergewicht tragen, 60 Prozent des Körpergewichts fängt die Stehhilfe ab.3
  • Wer seinen unteren Rücken, die Beine und größere Muskelgruppen schonen und entlasten möchte, kann bei seinem Arbeitgeber nachfragen, ob ergonomische Steharbeitsmatten (beispielsweise mit Gummi-Noppen) für Ihren Arbeitsbereich gekauft werden. Dank deren weicher Oberfläche werden Gelenke und Beine entlastet. Auch die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege beispielsweise empfiehlt, diese Matten in Stehberufen einzusetzen.

Das Dauerstehen wird zunehmend unangenehmer? Zwei SOS-Übungen

Übung 1 – Seufzen:

  • Atmen Sie tief ein, während Sie bewusst übertrieben das Brustbein (Knochen mittig des Brustkorbs) hochstrecken.
  • Ausatmen und dabei laut seufzen.
  • Ihre Körperhaltung verbessert sich wie von selbst.4

Übung 2 – Katzenbuckel:

  • Beugen Sie Ihren Oberkörper nach vorne und machen Sie, während Sie ausatmen, einen Katzenbuckel (den Rücken rund machen). Die Arme hängen dabei entspannt vor ihren Beinen nach unten.
  • Während Sie wieder Luft holen, den Oberkörper aufrichten.
  • Spannen Sie die Muskeln des Rückens und Bauchs bewusst an.
  • Wiederholen Sie die Übung fünf- bis zehnmal.5
  • Und schon haben Sie etwas Abwechslung und Bewegung in Ihre überwiegend stehende Tätigkeit gebracht.

Venensystem unterstützen

Neben der Rückenmuskulatur leidet besonders das Venensystem unter der stehenden Tätigkeit. Eine mögliche Folge sind Krampfadern (knotig ausgebuchtete Venen). Doch Sie können dem entgegenwirken:

  • Betätigen Sie regelmäßig Ihre Venenpumpe. Wippen Sie dazu auf dem Fußballen auf und ab.
  • Tragen Sie Kompressionsstrümpfe, das entlastet Ihre Venen erheblich.
  • Verändern Sie auch im Stehen regelmäßig ihre Position und achten Sie dabei darauf, das Körpergewicht gleichmäßig auf beide Füße zu verteilen.
  • Verzichten Sie auf enge Kleidung, sie behindert die Blutzirkulation (Blutkreislauf) zusätzlich.
  • Auch hochhakige Schuhe oder hohe Plateuschuhe schaden den Venen.

Zeit für Entspannung und Ausgleichssport in der Freizeit nehmen

Nach einem langen Arbeitstag im Stehen zieht es viele verständlicherweise nur noch auf die Couch. Der Körper sehnt sich nach Erholung. Eine gewisse Ruhephase im Sitzen oder Liegen ist schließlich sinnvoll für die beanspruchte Muskulatur. Für einen gestressten Rücken bieten sich Entspannungsübungen wie beispielsweise Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen an.

Doch auch in diesem Fall gilt: Die Abwechslung macht´s. Für die Gesundheit ist es förderlich, sich auch in der Freizeit zu bewegen. Wie wäre es denn mit einem ausgiebigen Spaziergang, Schwimmen oder Radfahren – Sportarten, die Ihre Muskeln stärken?

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Julia Lindert Die Ressortjournalistin Julia Lindert spezialisierte sich während ihres Studiums auf die Themenfelder Medizin und Biowissenschaften. Medizinische Sachverhalte in verständlicher Sprache zu formulieren, ist das, was sie an ihrer Arbeit besonders mag. Ihr Credo in Bezug auf Krankheitsbilder und Therapiemöglichkeiten: Nichts beschönigen, aber auch keine unnötigen Ängste schüren. Julia Lindert Medizinredakteurin kanyo® mehr erfahren
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