Wo liegt der Tarsaltunnel eigentlich genau?


Während der Begriff des Karpaltunnelsyndroms, das den mittleren Handnerv betrifft, geläufiger ist, geht es nun um das eher unbekannte hintere Tarsaltunnelsyndrom. Der Tarsaltunnel, ein aus Knochen und Bindegewebe bestehender Raum, befindet sich in der Nähe des Sprunggelenks.

Er wird vom

  • Innenknöchel und
  • dem Fersenbein gebildet sowie
  • von einem starken, fächerförmigen Halteband (Retinaculum musculorum flexorum, in der vereinfachten Grafik blau dargestellt) überdeckt.
Infografik zur Anatomie des Tarsaltunnels: Hier bildet sich das Tarsaltunnelsyndrom.

Innerhalb des Tarsaltunnels verlaufen nicht nur Venen und die hintere Schienbeinarterie namens A. tibialis posterior, sondern auch der Nervus tibialis (in orange eingezeichnet). Dieser ist ein Ast des Ischiasnervs, welcher der Wirbelsäule entspringt und weiter am Bein entlangzieht. Im Bereich des Tarsaltunnels teilt sich der Nervus tibialis in mehrere Nervenäste auf, zu deren zentralen Aufgaben es gehört, unter anderem folgende Körperpartien beziehungsweise Strukturen zu versorgen:

  • die innere und äußere Fußsohle des Vorderfußes
  • die Zehenunterseiten
  • die Zehenbeugemuskulatur

Nun kann es im Bereich des Tarsaltunnels zu Engstellen kommen, die zu einer Einengung des Nervs führen. Mediziner sprechen dann vom hinteren Tarsaltunnelsyndrom.

Aha!

Es gibt übrigens auch das weitaus seltenere vordere Tarsaltunnelsyndrom, bei dem der Nervenast Nervus fibularis profundus betroffen ist, was unter anderem Schmerzen im Fußrücken auslöst.

Ursachen: Wie kommt es zum Tarsaltunnelsydrom?


Wie erwähnt zählen Traumata wie etwa eine Innenbandverletzung oder Zerrung in Sprunggelenknähe und daraus hervorgehende Schwellungen zu den häufigsten Ursachen des Tarsaltunnelsyndroms. Doch es gibt weitere Gründe, die für einen verengten Tarsaltunnel verantwortlich sein können, beispielsweise:

  • Narbenbildungen nach Unfall oder Operation
  • Entzündungen, wie infolge eines Gelenkverschleißes (Arthrose) des Sprunggelenks
  • Fehlstellungen des Fußes, beispielsweise ein Knick-Senkfuß (unter anderem gekennzeichnet durch X-förmig zueinander stehende Fußgelenke)
  • hormonelle Störungen, die die Wandstrukturen des Tarsaltunnels anschwellen lassen1
  • anatomische Besonderheiten, zum Beispiel
    • Varizen (Krampfadern)
    • Lipome (gutartige Fettgeschwülste)
    • Ganglien (Überbeine, das sind mit Gelenkflüssigkeit gefüllte Gebilde)
    • Exostosen (vermehrtes Wachstum von Knochensubstanz) im Bereich des Tarsaltunnels1
  • Nerventumore
  • extrem fordernde, sportliche Aktivitäten wie Marathonläufe, die zu lokalen Schwellungen führen

Circa einem von fünf Tarsaltunnelsyndromen lässt sich keine eindeutige Ursache zuordnen.2

Liegt´s am Schuh?

Tatsächlich kann auch enges oder hohes Schuhwerk eine Kompression der Fußnerven begünstigen.

Großes Spektrum an Symptomen


Die meist einseitigen Beschwerden hängen von mehreren Faktoren ab. Dazu zählt die Stärke der Kompression, sprich des Drucks auf den Nerv. Auch die Tatsache, wie lange das Tarsaltunnelsyndrom bereits besteht, hat Einfluss auf die Art der Symptome.

Beispiele dafür sind:

  • Gefühlsstörungen (brennend, kribbelnd)
  • Taubheitsgefühl
  • Schmerzen (Nervenschmerzen) an der Innenseite des Fußes und der Fußsohle
  • eingeschränkte motorische Funktion, beispielsweise ist Abspreizen der Zehen nur noch bedingt möglich
  • Teillähmung oder Abnahme der Fußsohlenmuskulatur

Häufig verstärken sich die Symptome bei Nervenschädigung – vor allem die Nervenschmerzen –, wenn die Betroffenen länger stehen oder gehen, was jedoch nicht ausschließt, dass die Symptome auch nachts oder in Ruhe vorkommen.

Auch wenn es von Ärzten häufig diagnostiziert wird, ist nicht immer ein Tarsaltunnelsyndrom schuld an den Schmerzen. Was kann es also sonst sein? Einige der genannten Symptome spielen unter Umständen auch bei folgenden Erkrankungen eine Rolle:

So erfolgt die Diagnose


Die Diagnose beginnt mit einem Arzt-Patienten-Gespräch, bei dem der Betroffene seine Symptome und medizinische Vorgeschichte schildert. Es folgt eine körperliche Untersuchung, bei der der behandelnde Arzt durch Druck und Beklopfen des Bereichs hinter dem Innenknöchel prüft, ob der Patient darauf mit Schmerzen reagiert.

Welcher Arzt ist der richtige?

Die Therapie des Tarsaltunnelsyndroms gehört zum Behandlungsspektrum eines Orthopäden, der auf die Behandlung des Bewegungsapparats – wozu zum Beispiel Knochen und Gelenke gehören – spezialisiert ist. Ein Neurologe (Nervenarzt) wird unter anderem hinzugezogen, wenn zur Diagnosestellung die Nervenleitgeschwindigkeit gemessen werden soll. Ihr Hausarzt stellt eine Überweisung an die Fachärzte aus.

Steht das Krankheitsbild des Tarsaltunnelsyndroms im Raum, kann eine Einspritzung im Nervenbereich mit einem Lokalanästhetikum (schmerzstillendes Mittel) und einem kortisonhaltigen Präparat Aufschluss darüber geben, inwieweit der Nerv bereits Schaden durch die Nerveneinengung und -reizung genommen hat. Hält die Wirkung der verabreichten Substanzen nur wenige Tage an, spricht dies für eine Nervenschädigung.3

Wohingegen möglicherweise ein entzündeter Nerv vorliegt, wenn die Schmerzen über einen längeren Zeitraum hinweg gelindert werden können. Ein sogenanntes Elektromyogramm (EMG), bei dem ein Facharzt auf dem Gebiet der Neurologie die Nervenleitgeschwindigkeit misst, erbringt unter anderem auch den Nachweis einer Nervenschädigung. Um ein zuverlässiges Ergebnis zu erhalten, ist es wichtig, dabei einen Seitenvergleich durchzuführen, also auch die Nervenleitgeschwindigkeit des symptomfreien Fußes zu testen.

Therapie: Nicht immer ist eine Operation notwendig


Salbenumschläge und entzündungshemmende Medikamente helfen, akute Beschwerden zu lindern. Häufig verordnet der Arzt eine Ruhigstellung des Fußes, was unter anderem mit Orthesen (Schienen) gelingt. Orthopädische Einlagen vermindern den Druck auf den betroffenen Nerv. Auch wenn es darum geht, eine Fußfehlstellung zu behandeln, die zu einem Tarsaltunnelsyndrom geführt hat, sind Betroffene bei einem Orthopäden richtig. Darüber hinaus kommen bei der Behandlung des Tarsaltunnelsyndroms auch physikalische Maßnahmen wie Kälte- und Physiotherapie in Frage.

Erst wenn trotz aller konservativen Maßnahmen der erwünschte Erfolg ausbleibt, da

  • weiterhin schmerzhafte Missempfindungen (Dysästhesien) oder
  • neurologische (das Nervensystem betreffende) Ausfälle bestehen,4

ist eine Operation ins Auge zu fassen. Bei dem Eingriff wird–häufig in Vollnarkose oder per Spinalanästhesie5 – das Halteband gespalten und der eingeklemmte Nerv im Tarsaltunnel freigelegt, um ihn zu entlasten. Der Schnitt verläuft entlang des Nervenverlaufs hinter dem Innenknöchel. Üblicherweise geht mit der operativen Therapie ein stationärer Krankenhausaufenthalt einher.6 Bis die circa 8 Zentimeter lange Wunde verheilt ist, hilft eine Unterschenkelgipsschiene, den Fuß ruhigzustellen.7 Nach etwa 2 Wochen werden die Fäden gezogen.7

Häufig gestellte Fragen zur Operation

Kann ich den Fuß nach der Operation gleich wieder belasten?

In einschlägigen Literaturquellen finden sich hierzu Angaben, die voneinander abweichen. Unter anderem wird als Therapieempfehlung das Tragen einer Gipsschiene für circa 2 Wochen angeführt, um den Fuß ruhig zu stellen, mit anschließender Teilbelastung des Fußes für weitere 4 Wochen.8
Aufgrund der sich hier teils stark unterscheidenden Informationen, fragen Sie bitte Ihren behandelnden Arzt, welche Empfehlung er in Ihrem individuellen Fall ausspricht.

Gibt es Nebenwirkungen?

Wie bei jedem operativen Eingriff sind auch hier Komplikationen nicht gänzlich auszuschließen, beispielsweise eine gestörte Wundheilung, Infektionen oder Narbenkeloide (Narbenwucherungen).

Spinalanästhesie – was ist das genau?

Dabei spritzt der Anästhesist (Narkosearzt) mit einer Injektionsnadel ein örtliches Betäubungsmittel in den sogenannten Spinalkanal, durch den die Spinalnerven und das Rückenmark verlaufen. Der Einstich erfolgt auf Höhe der Lendenwirbelsäule. Mit diesem Verfahren sind Operationen unterhalb des Bauchnabels möglich.

Wie lange bin ich krankgeschrieben?

Eine allgemeingültige Antwort gibt es hier leider nicht, da der Heilungsprozess von vielen Faktoren abhängt. Beispielsweise davon, wie lange die Nerveneinengung vor der OP vorhanden war oder welcher beruflichen Tätigkeit der Patient nachgeht. Planen Sie jedoch in etwa 4 Wochen ein.9

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Julia Lindert Die Ressortjournalistin Julia Lindert spezialisierte sich während ihres Studiums auf die Themenfelder Medizin und Biowissenschaften. Medizinische Sachverhalte in verständlicher Sprache zu formulieren, ist das, was sie an ihrer Arbeit besonders mag. Ihr Credo in Bezug auf Krankheitsbilder und Therapiemöglichkeiten: Nichts beschönigen, aber auch keine unnötigen Ängste schüren. Julia Lindert Medizinredakteurin kanyo® mehr erfahren
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